Das Thema chronische Schmerzen begleitete mich schon seit meiner Kindheit. Im Alter von etwa 11 Jahren entzündeten sich bei mir beide Achillessehnen. Im Verlauf der folgenden Jahre breitete sich der Schmerz auf die gesamten Füße und Unterschenkel aus. Ich rutschte von einer Schonhaltung in die nächste und bald schon taten mir auch Knie, Becken und Rücken weh. Bewegung und Sport bekamen einen negativen Beigeschmack und ich war frustriert, da mir niemand sagen konnte, woher die Schmerzen kamen und was ich dagegen tun konnte. Mir fehlte jegliche Perspektive auf Verbesserung, doch ich wollte mir mein aktives Leben nicht nehmen lassen. Meine Strategie war also das Verdrängen meiner Schmerzen, was eine Zeit lang auch sehr gut funktionierte. Von meinen Bergtouren blieben mir nur die herrlichen Landschaften und schönen Gipfelmomente in Erinnerung, während ich die Schmerzen und die darauf folgenden schlaflosen Nächte mit der Zeit vergaß.
Im Alter von 22 Jahren äußerten sich bei mir sehr plötzlich nicht zuordenbare Schmerzen im gesamten Körper, die sich innerhalb der darauf folgenden 2 Monate massiv verschlimmerten. Es fiel mir immer schwerer, die nötige Leistung für mein Biologiestudium und meine Arbeit zu erbringen und bald schon wurden auch die alltäglichen Aufgaben des Lebens zu kaum überwindbaren Hürden. Jede Bewegung kostete mir unheimlich viel Überwindung. Mein Körper fühlte sich für mich wie ein Gefängnis an, wie ein viel zu enger Neoprenanzug, der mir alle Kraft raubte. Es ging sogar so weit, dass ich mir nicht einmal mehr Autofahren zutraute, denn ich konnte mich kaum noch konzentrieren und verlor jegliches Vertrauen in meinen Körper. Ich steckte all meine Kraft in die Suche nach Antworten, bis ich nach etwa einem Jahr die Diagnose Fibromyalgie gestellt bekam. Zu meinem großen Glück lernte ich kurz darauf Rolfing® kennen. Während die Diagnose zuerst abschreckend für mich war, spendete mir Rolfing® von Anfang an Hoffnung.
Ursprünglich erhoffte ich durch Rolfing® eine Linderung meiner Schmerzen zu erreichen. Bald schon merkte ich jedoch, dass Rolfing® weit mehr als das ermöglichte. Mit jeder Sitzung löste sich Spannung in meinem Körper und langsam öffnete sich wieder Raum in mir um durchzuatmen. Während ich vorher immer darum bemüht war, meine Schmerzen zu verdrängen, lernte ich, wieder in meinen Körper hineinzufühlen und jeden noch so kleinen Fortschritt bewusst wahrzunehmen. Ich startete nun jeden Tag mit 1-2 Stunden Yoga, vorrangig um die Schmerzen, die morgens am schlimmsten waren, zu lindern und Kraft für den Tag zu schöpfen. Die sanften Dehnungen und achtsamen Körperübungen halfen gleichzeitig auch dabei, die Fortschritte aus den Rolfing®-Sitzungen zu erhalten und meine Bewegungsfreiheit langsam zu steigern. Auch die beruhigende Wirkung von Yoga und Meditation auf das Nervensystem machte ich mir zunutze, um langsam wieder meine Konzentrationsfähigkeit zurückzugewinnen und Klarheit in meine damals sehr zerrüttete Gedankenwelt zu bringen.
Schon während der 10 Sitzungen begann ich damit, mich intensiver mit den Themen Rolfing® und Faszien zu beschäftigen. Einerseits las ich viele wissenschaftliche Artikel und andererseits sehr gerne auch Erfahrungsberichte von Rolfern® und ihren Klienten. Während der Sitzungen achtete ich auf die Techniken, die mein Rolfer® anwandte und übte diese dann an meinem eigenen Körper. Ich war beeindruckt davon, was ich mit meinen Händen zu spüren begann und welche Veränderungen das in meinem Körper auslöste. Zusätzlich zu meiner täglichen Yoga-Praxis nahm ich nun auch das „Selbst-Rolfing®“ in meinen Tagesablauf hinein. Ich tauchte immer tiefer in die Welt des Rolfing® ein und begann schon 7 Monate nach meiner ersten Sitzung mit der Ausbildung zum Certified Rolfer®. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch mit großen Schmerzen zu kämpfen doch meine wachsende Leidenschaft für diese Form der Körperarbeit spendete mir Energie. Am Ende meiner Rolfing®-Ausbildung war ich körperlich so weit, dass ich langsam wieder mit dem Lauftraining beginnen konnte und bald darauf meine erste Bergtour genießen konnte. Darüber hinaus habe ich gelernt, wie bereichernd es ist, mich auf meine Sinne und meine Intuition verlassen zu können.
Rolfing® hat mir die Mittel dafür gegeben, um nach 3 herausfordernden Jahren wieder in ein schmerzfreies Leben zurückzukehren. Mir ist es wichtig nicht zu vergessen, dass es nicht selbstverständlich ist, dass der Körper „einfach funktioniert“. Einerseits lebe ich nach dem Prinzip „Use it or lose it - Gebrauche es oder verliere es“. Der Körper ist ein dynamisches System und passt sich der aktuellen Lebenslage an. Nur jene Strukturen und Fähigkeiten die in Gebrauch sind werden aufgebaut und erhalten. Auf der anderen Seite ist es wichtig, auf den eigenen Körper zu hören um rechtzeitig zu merken, wann wir auch mal Pause brauchen. Eine gute Selbstwahrnehmung ermöglicht es Schmerzen, Müdigkeit und andere Botschaften aus dem Körper früh genug zu erkennen, zuzuordnen und angemessen darauf zu reagieren. Rolfing® hat mir dabei geholfen, eine Balance zwischen meinem sehr aktiven Alltag und Zeiten der Regeneration zu finden. Außerdem hat es mir Werkzeuge in die Hand gegeben, um wieder zurück ins Gleichgewicht zu finden, sollte mich doch einmal etwas aus der Bahn werfen. Aus der anfänglichen Neugier für den menschlichen Körper wurde bald schon meine Berufung und es bereitet mir große Freude, meine Klienten dabei begleiten zu können, ihr eigenes Potential zu entdecken und zu entfalten.
Autorin: Certified Rolfer®, Romi Netzberger - Austria
Bildnachweis: 'Wild Europe e.V.' and Matthias Amon