Die musikalische Instrumental-Ausbildung basiert auf drei Grundlagen:
-
Technische Ausbildung / Haltung und Übestruktur
-
Musikalischer Ausdruck / Emotionalität, Empfindungen und deren Umsetzung
-
Historischer Hintergrund und Werkanalyse
Als Hauptfachlehrerin für das Instrument Bratsche bin ich in meiner täglichen Lehrtätigkeit vielfach den körperlichen Problemen begegnet, welche Frust oder Leid bei Studierenden verursachen. Egal wie begabt die Person ist, egal wie schön ein Instrument zum klingen gebracht wird, irgendwann beginnen Wehwehchen oder ernstere Probleme, die man heutzutage laut aussprechen muss.
Ich habe das Glück gehabt bei einer Lehrerin zu studieren, welche aus eigener Erfahrung sich sehr bemüht hat unseren Körper sehr bewusst einzusetzen. Trotzdem, merke ich heute, dass es sehr gute Ansätze waren, aber leider nicht ausreichend.
Im meinem Probejahr an der Oper , wo ich am Tag bis zu 9 Stunden am Tag mit dem Instrument beschäftigt war, habe ich sehr deutlich gespürt, daß mein Körper nicht mehr mit dieser Belastung klar kam. Nach kürzester Zeit hatte ich chronische Rückenschmerzen . Man durfte es sich auf keinen Fall anmerken lassen, sonst wäre das Probejahr gefährdet und man wäre als zu schwach eingestuft worden. Nach 4-jähriger Diensterfahrung haben sich dazu noch Knieprobleme und ein Tinitus dazugesellt. Ich mußte dringend etwas unternehmen.
Ich bin kein Einzelfall in unserer Berufgenossenschaft ! Man hört immer wieder von eingeklemmten Nerven, gelähmten Fingern, versteiftem Nacken, überspielten Hände, Dystonie
(Verschiedene Formen von Nervenversagen bis zur kompletten Lähmung von Fingern, Lippen oder ganzen Gliedmassen ),viel zu früh beendete Gesangkarrieren wegen überdehnten oder überspannten Stimmbänder und vieles mehr…
Inzwischen sind die Ausbildungsstätten darauf gekommen alternative Angebote anzubieten. In den Hochschulen sind Yoga, Feldenkrais, ThaiChi und Quigong , sowie Körperarbeit längst angekommen. Trotzdem, die Studierenden sind so weit von der Realität entfernt und müssen darauf hingewiesen werden: sie sollen es bitte besuchen! Manche Studierenden haben jedoch Angst- es würde ihnen sogar schaden!
Ich bin fest davon überzeugt, daß dies von einem „Un“-bewusstsein kommt. Die jungen Künstler denken, daß diese Sachen nur „Nebensachen“ sind und spielen eine zu geringe Rolle in deren Karrierenaufbau. Sie konzentrieren sich lieber auf kleine Sachen, als auf unbekannte grosse Systeme oder schlicht erkennen sie noch nicht. Sie kommen darauf nur dann, wenn sie richtige Probleme oder Schmerzen bekommen.
Als Pädagogin merke ich , daß eigentlich keiner von denen die Ausbildung beginnen dürfte ohne die Rolfing® Ten Series absolviert zu haben!
Ich persönlich habe mehrere Techniken ausprobiert: Yoga, Akupunktur,
Osteopathie ,Kraniosacraltherapie, Dispokinesis und TakeTina. Sie weisen sich als sehr gute
„Kleinreparatur Ansätze“, aber nicht als etwas Umfassendes. Keines hat eine so grosse Wirkung wie Rolfing: mein Körper hat von selbst angefangen sich zu regulieren, neue Wege wurden angeboten, eine Verantwortung dem Körper gegenüber wurde geweckt und vor allem die psychische Wahrnehmung erlebte eine grosse Veränderung. Man wurde wacher, stabiler, ruhiger und zuversichtlicher während eines Auftritts.
Während der Level 1 Kurse für die Rolfingausbildung sind mir schon Erkenntnisse aufgegangen, dass die Ausbildung für Musiker sehr viel Beispiel von Sportlern und deren Bewegungsanalyse übernehmen sollten. Dadurch, daß wir so viele Stunden am Tag üben und in Verschiedenen Ensembles, Orchestern spielen, ist unser Beruf sehr ähnlich und mit dem von Sportlern zu vergleichen! Es ist Hochleistungssport und extrem belastend.
Für die Geige oder Bratsche sind viele verschiedene Schulen ( Carl Flesch, Simon Fischer und viele anderen) geschrieben worden worin erklärt wird, wie der Unterricht gestaltet werden sollte, welche Stücke sich zur Auswahl eignen, welche Technik Tipps erprobt sind und gut funktionieren. Aber in keiner der Schulen steht, meines Wissens, etwas über die Muskel und Sehnen- Verbindungen, um eine optimalere Haltung, klangliche Fülle oder Beweglichkeit der Finger zu erzielen. Es werden nur Übungen für die Lockerung des einen oder anderen Fingers, flexibleren Handgelenkes und die Position der Geige/bzw.Bratsche auf der Schulter empfohlen. Aber nach meinem Wissen sagt keiner warum oft und sogar sehr oft etwas klemmt und versagt, trotz der vielen gute Ratschläge.
Die Wahrnehmung des Körpers spielt gar keine Rolle darin. Wir sind froh, daß in der letzten 20 Jahren die Musikhochschulen und Musikschulen mit den Spiegeln in den Überäumen ausgestattet, was früher gar nicht bekannt war. Die Musiker haben angefangen sich von der Außenseite zu beobachten. Plötzlich war die Technik auch zum Selbst-analysieren gedacht und das Äußerliche spielte eine entscheidende ästhetischere Rolle, was früher nur von
„innenkommend und intuitiv“ sein sollte. Trotzdem, das Hineinführen in den Körper und durch bewußte „anatomische Empfinden und deren Zusammenhänge“ war noch nicht bekannt: „Woher kommt der Klang, woher kommt die Verbindung, welche Wahrnehmung könnte ich nutzen, um meine Atmung gut zu integrieren?“ Natürlich sind uns die Sprüche : „Versuche den Ton aus dem Bauch, aus dem Rücken zu holen, dein Rhythmus sollte in deinem Zentrum pulsieren“ wohl bekannt, aber sie dienten rein als visuelle Vorstellung, etwas was als Ahnung-,eine Gefühlsart für unsere breitere Wahrnehmung diente. Manchen hat es geholfen die natürlichen Bewegungsabläufe zu optimieren, manche tappen bis heute noch im Dunkeln.
Die ATMUNG ist ein wichtiges Thema bei Streichern, was selbstverständlich bei der Gesangs oder Blasinstrumentenausbildung die Hauptrolle spielt. Bei Streichinstrumenten wird es sogar ignoriert mit dem ganzen dazugehörigem Apparat: Rippen, Bauch und Unterleib! Man kann nur von Glück sprechen, wenn der Studierende bei einem bewussten Lehrer studiert hat oder nur einen musikalischen Wegbegleiter hatte. Die bewussten Lehrer haben sogar oft Spott zu erleiden, weil es wird mit Esoterik verglichen, etwas was uns noch sehr fremd vorkommt. Durch die anatomischen Erkenntnisse könnte man es aber als neuen Standard in der Ausbildung etablieren, was meiner Meinung sich als sehr sinnvoll erweisen würde.
Meine Beobachtungen im Unterricht sind noch sehr jung, da wir erst seit einem Jahr zwei Rolfer im Saarland haben. Auffallend schön ist zu sehen, daß alle nach der ersten Sitzung sehr stabil und aufrecht stehen, sowie entspanntere Schultern haben. Die Studierenden, welche momentan bei der siebten Sitzung waren, sind deutlich flexibler in der Umsetzung der Aufgaben, merken selbst, daß „der Körper etwas anderes will“ und weisen viel mehr Flexibilität in den Gliedmassen auf. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, aber ich würde behaupten, daß sie sogar besser hören-intonieren. Sie sagen, sie seien nicht so gestreßt. Ich sehe da einen Zusammenhang mit den fließenderen Abläufen, die auf einmal die jungen Menschen nicht mehr stressen und stören, sondern ganz natürlich sind und ihnen Freiräume für die andere Wahrnehmungen eröffnen.
Sehr schön ist zu beobachten wie durch das Körperbewußtsein im Zusammenspiel mit ihren Musikpartner viel integrierter wirkt. Das Erspüren von Bewegungen der anderern und deren Körpersprache fällt viel leichter und man kann es „ablesen“.
Autor: Current Rolfing student (Modular Training 2021-2023), musician and music professor, Jone Kaliunaite - Deutschland
Bildnachweis: Francois Sechet